Chemie-Sozialpartnerschaft ist kein Auslaufmodell

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Die Pflege und der Erhalt der Chemie-Sozialpartnerschaft erfordert zunehmend Einsatz - auch von der Politik.

Die Sozialpartnerschaft in der chemischen Industrie ist eine wertvolle und besondere Errungenschaft der Branche, deren Pflege und Erhalt allerdings zunehmenden Einsatz erfordert. Und dies nicht nur von den direkt beteiligten Sozialpartnern, sondern auch von der Politik. Viele Jahre war der partnerschaftliche Umgang von Gewerkschaft und Arbeitgebern in der Chemie für andere Bereiche und Branchen und in der Politik ein wichtiges und anschauliches Beispiel für Flexibilität, Stabilität und Vernunft sowie ein mögliches Vorbild dafür, dass man durch inhaltliche Gespräche und nicht durch Konflikte zu tragfähigen Lösungen kommen kann.

Mittlerweile scheint diese Strahlkraft aber nachzulassen, auch wenn immer noch respektvoll und wertschätzend auf die Aushandlungsprozesse in der chemischen Industrie geschaut werde. Immer öfter sei außerhalb der Branche jetzt eine Haltung zu bemerken, die ihrer besonderen Sozialpartnerschaft nur noch eine exotische Ausnahmestellung zubillige, die woanders nicht umgesetzt werden könne und deshalb stärkere Eingriffe der Politik in die Tarifautonomie erfordere. Dies war das Ergebnis einer digitalen Verbandsveranstaltung zum Thema „Welche Rolle spielen die Sozialpartner für die zukünftige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland?“ am 9. Juni mit Michael Vassiliadis, dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

Vassiliadis machte dabei deutlich, wie problematisch eine solche Entwicklung sei und forderte vor allem auch von der Politik, das Modell der Chemie-Sozialpartnerschaft weiter als Ziel für andere Bereiche und Branchen zu unterstützen. „Es gibt eine richtige und klassisch historische Begründung für Sozialpartnerschaft, die in der Nachkriegszeit die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland fast wie eine zweite Verfassung geprägt hat. Das wird derzeit fragiler. Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Selbstverständnis an die nächste Generation weitergeben. Dabei ist neben den Sozialpartnern auch die Politik gefragt.“

Für die Chemie-Sozialpartner steht deshalb fest, dass der große Wert verlässlicher Arbeitsbeziehungen und geordneter Sozialstrukturen gemeinsam mit der Politik neu aufgeladen werden muss, um auch in Zukunft weiter gut aufgestellt zu sein. Vor allem auch, weil Globalisierung und Digitalisierung dabei besondere Herausforderungen seien, deren ausdifferenzierte Facetten oft noch außerhalb des derzeitigen Aktionsradius der Sozialpartner lägen.

Mit einem Gesamtblick auf die Politik bemängeln die Chemie-Sozialpartner, dass die Präsentation politischer Programmatiken häufig den Bezug verloren habe zu einer konkreten Messung, wo wir derzeit stehen und was die Meilensteine der weiteren Entwicklung sein müssten. Die zunehmende Ausrichtung politischen Handelns an tagesaktuellen Umständen habe zu einem Defizit in der kritischen Auseinandersetzung mit den Zukunftsproblemen geführt. Die Parteien sollten eigene Profile zurückgewinnen und dabei müssten sie auch fundierte ökonomische Programme entwickeln, um Themen wie Klimaschutz und Energiewende aus dem Blickwinkel von Innovation und Investition zu diskutieren und anzupacken. „Die Frage, wie Energiewende und Klimaschutz wirklich gemacht werden müssen, damit die ökonomische und soziale Stabilität in Deutschland und Europa gewährleistet bleibt, muss viel intensiver diskutiert werden. Wir müssen klarer werden. Es gibt ein bisschen zu viel Gekuschel“, so Vassiliadis.
 

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